Mein Netzwerk für Körper, Geist und Seele Unsere Expert*innen

Bewegung trotz Beschwerden – wann Radfahren sinnvoll ist

Fragen an den Physiotherapeuten und Radsportler Martin Weidinger über gelenkschonende Bewegung im Sommer

Worauf sollte man beim Radfahren im Sommer besonders achten – speziell bei hohen Temperaturen? Gibt es typische Fehler, die Sie immer wieder sehen?
MARTIN WEIDINGER: Ganz zentral ist ausreichendes Trinken – und zwar nicht nur Wasser. Ideal sind verdünnte Fruchtsäfte mit einer Prise Salz oder Elektrolytgetränke. Wer stark schwitzt, verliert viele Mineralstoffe – das zeigt sich etwa an Salzrändern auf der Kleidung. Faustregel: Wenn der Urin nach dem Radfahren klar ist, hat man genug getrunken.

Zudem ist die Streckenwahl entscheidend:

  • Lieber schattige, waldreiche Routen als sonnige Asphaltstrecken
  • Bei großer Hitze eher flach und mit Windunterstützung fahren
  • Fahrzeiten in die frühen Morgen- oder späten Abendstunden legen

In welchen Fällen ist Radfahren aus therapeutischer Sicht besonders empfehlenswert und wann würden Sie eher davon abraten?
MARTIN WEIDINGER: Radfahren ist eine der gelenkschonendsten Bewegungsformen – gerade bei Knie- oder Hüftarthrose, nach Operationen oder Bandscheibenproblemen. Die runde Bewegung entlastet die Gelenke, verbessert die Durchblutung und kräftigt die Muskulatur.

Aber:

  • Bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder internistischen Problemen sollte vorab unbedingt eine sportmedizinische Abklärung erfolgen.
  • Wer stark übergewichtig ist, an Diabetes oder Bluthochdruck leidet, sollte sich ebenfalls vorab untersuchen lassen.
  • Bei orthopädischen Problemen wie Arthrose oder Bandscheibenschäden: Schmerz als Richtschnur nehmen, Belastung individuell dosieren.
     

Gerade bei Knieproblemen ist es wichtig, eher mit höherer Trittfrequenz und weniger Kraft zu fahren – das schont die Gelenke. Und: Wer sich unsicher ist, fährt besser mit Pulsmesser oder in von Ärzt*in festgelegten Trainingsbereichen.

Was bringt Radfahren in der Rehabilitationszeit und worauf kommt es an?
MARTIN WEIDINGER: Radfahren kann helfen, nach Verletzungen oder Operationen wieder in Bewegung zu kommen, sofern Geometrie und Belastung stimmen.
Patient*innen mit fortgeschrittener Arthrose können oft nicht mehr laufen, wohl aber längere Strecken radeln – schmerzfrei und mit Freude. Beim Laufen wäre die Belastung zu hoch, beim Radfahren dagegen gleichmäßig und dosierbar.

Auch hier gilt:

  • Flache Strecken bevorzugen
  • Nicht mit zu hoher Kraft, sondern lieber mit „schnellen Beinen“ fahren
  • Bei Rückenproblemen: „Bikefitting“ (die Einstellungen des Fahrrads werden auf Anatomie und Belastung des*r Fahrer*in abgestimmt) ist zentral, vor allem die Lenkerhöhe und Sitzposition
     

E-Bikes – sinnvolle Unterstützung oder Ausrede?
MARTIN WEIDINGER: Das E-Bike kann ein wunderbarer Einstieg in die Bewegung sein, gerade nach längerer Pause, bei Einschränkungen oder im höheren Alter. Entscheidend ist, wie man es nutzt. Leider sehe ich oft Fahrfehler oder unsichere Bewegungsabläufe. Ein paar Grundregeln wären wünschenswert:

  • Auf- und Absteigen sicher beherrschen
  • Bremsverhalten und Blicktechnik trainieren
  • Technikkurse oder geführte Einheiten für Einsteiger*innen sind sehr empfehlenswert

Wenn jemand durch das E-Bike Freude an der Bewegung gewinnt und sich dadurch vom Sofa aufs Rad bewegt, dann ist es ein Gewinn. Viele ältere Menschen sind mittlerweile regelmäßig damit unterwegs, gut ausgerüstet und mit viel Motivation. Das ist großartig!

Wie bringen Sie persönlich Training, Beruf und Regeneration unter einen Hut, und was überwiegt bei Ihnen im Training?
MARTIN WEIDINGER: Ich versuche, meine Radzeiten gut einzuplanen – drei Ausfahrten pro Woche sind mein Ziel, das ergibt rund zehn bis zwölf Stunden. Meistens bin ich mit dem Rennrad unterwegs, aber ich möchte das Mountainbike nicht missen. Gerade an heißen Tagen, wenn’s auf der Straße kaum Schatten gibt, ist das Gelände ideal.

Für mich ist Radfahren mehr als Training. Es ist auch aktive Regeneration. Wenn mich viele Themen beschäftigen, schalte ich beim Fahren ab.

  • Im Wald spürt man die Kühle.
  • Man erlebt Wetter und Landschaft ganz unmittelbar.
  • Und selbst beim sportlichen Fahren bleibt immer das Gefühl: Das ist Freiheit auf zwei Rädern.

Autoren