Sie sind Partner im Gesundheitsnetzwerk der Elisabethinen und behandeln Menschen mit Herzerkrankungen. Wie wichtig ist für Sie die interdisziplinäre Vernetzung im Gesundheitswesen, wenn es darum geht, Patient*innen umfassend und ganzheitlich zu behandeln?
MARTIN MARTINEK: Ein starkes Netzwerk aus Expert*innen ist entscheidend, um bei Gesundheitsfragen schnell an die richtige Stelle zu verweisen. Die wichtigste Information ist: Wer ist für welches Problem der*die richtige Ansprechpartner*in? Auch in der Kardiologie gibt es viele Spezialisierungen. Durch eine zentrale Vermittlung im Gesundheitsnetzwerk kann gewährleistet werden, dass Patient*innen schnell zur*zum passenden Expert*in gelangen. (Anmerkung: das Gesundheitsnetzwerk der Elisabethinen erreichen Sie hier: klick )
Was genau versteht man unter Herzschwäche und welche Ursache/n liegen ihr zugrunde?
MARTIN MARTINEK: Es gibt zwei Hauptformen der Herzschwäche:
- Pumpfunktionsstörung: Das Herz pumpt bei jedem Schlag weniger Blut als normal. Anstatt 60–70 % des Blutes auszustoßen, schafft es signifikant weniger. Das bedeutet, dass der Körper nicht mehr ausreichend mit Blut und Sauerstoff versorgt wird.
- Relaxationsstörung: Hier bleibt die Pumpfunktion erhalten, aber das Herz wird weniger elastisch und kann sich nach jedem Schlag nicht mehr gut füllen. Das führt ebenfalls zu einer Herzschwäche.
Es gibt auch eine Mischform, bei der beide Funktionen beeinträchtigt sind. Für jede Form braucht es passende Therapien, die es zum Glück auch gibt.
Wie bemerkt man diese funktionelle Störung? Welche typischen Symptome treten auf, wie beeinflussen sie den Alltag der Betroffenen?
MARTIN MARTINEK: Das Hauptsymptom einer Herzschwäche ist die Atemnot bei Belastung. Weitere Anzeichen sind geschwollene Beine (Ödeme), die sich auch über Nacht nicht mehr bessern oder eine Überwässerung der Lunge, was Atembeschwerden verursacht. Betroffene fühlen sich oft erschöpft, haben Schwierigkeiten beim Treppensteigen und müssen öfter Pausen machen. Bei Durchblutungsstörungen des Herzens, die auch eine mögliche Ursache einer Herzschwäche ist, kann auch Angina pectoris („Enge der Brust“) auftreten. Wenn Rhythmusstörungen (am häufigsten Vorhofflimmern) die Ursache der Herzschwäche sind, spüren die Patienten oft Herzrasen oder unregelmäßigen Puls.
Wie weit verbreitet ist Herzschwäche in der Bevölkerung? Gibt es bestimmte Altersgruppen oder Risikogruppen, die häufiger betroffen sind?
MARTIN MARTINEK: Herzschwäche ist eine der häufigsten Herzerkrankungen, ähnlich häufig wie koronare Herzkrankheiten, also eine Erkrankung der Herzkranzgefäße, oder Vorhofflimmern, besonders bei älteren Menschen. Bei jüngeren Patient*innen tritt sie seltener auf. Herzschwäche kann durch Gefäßprobleme, Diabetes oder Bluthochdruck entstehen, der durch eine Verdickung des Herzmuskels eine Herzschwäche auslösen kann. Auch undichte oder verengte Herzklappen erhöhen den Druck auf das Herz. Zudem spielen genetische Faktoren und Stoffwechselerkrankungen eine Rolle bei der Entstehung von Herzschwäche.
Sie erwähnten genetische Veranlagungen. Wie stark beeinflussen zudem Lebensstilfaktoren wie Ernährung, Bewegung oder Rauchen Ihre Patient*innen?
MARTIN MARTINEK: Der Lebensstil spielt eine große Rolle bei Herzschwäche. Rauchen fördert Gefäßprobleme und kann zu ischämischer Kardiomyopathie führen, bei der der Herzmuskel durch mangelnde Sauerstoffversorgung geschwächt wird. Übergewicht erhöht das Risiko für Bluthochdruck, der Herzschwäche begünstigt. Es beeinflusst zudem den Fett- und Zuckerstoffwechsel und kann zu Diabetes führen, was ebenfalls das Risiko für eine Herzschwäche steigert.
Welche Behandlungsoptionen haben Menschen mit einer Herzschwäche und wie können diese den Verlauf der Krankheit positiv beeinflussen?
MARTIN MARTINEK: Die Behandlung von Herzschwäche hängt von der Ursache ab. Bei Durchblutungsstörungen kann ein Herzkatheter helfen, indem Gefäße erweitert oder Stents eingesetzt werden. Herzklappenprobleme, wie Undichtigkeiten oder Verengungen, erfordern oft chirurgische oder minimalinvasive Eingriffe.
Wenn Herzschwäche durch Bluthochdruck entsteht, wird dieser medikamentös gesenkt. Sind Rhythmusstörungen die Ursache, werden diese durch Medikamente oder Ablationstherapien behandelt. Bei bestimmten EKG-Veränderungen kann eine spezielle Herzschrittmachertherapie eine Behandlungsmöglichkeit bieten. Bei Erkrankungen des Herzmuskels, wie Amyloidose oder hypertropher Kardiomyopathie, gibt es spezielle Medikamente. In schweren Fällen kann ein Teil des verdickten Herzmuskels chirurgisch entfernt werden.
Moderne Therapien setzen stark auf Medikamente, besonders die "Fantastic Four", die die Herzfunktion verbessern. Auch implantierbare Geräte, wie Schrittmacher, kommen zum Einsatz, um die Herzbewegungen zu synchronisieren und Defibrillatoren werden eingesetzt, um das Risiko eines plötzlichen Herztods zu minimieren.
Für Patient*innen mit erhaltener Pumpfunktion, aber gestörter Elastizität, stehen heute neue medikamentöse Therapien zur Verfügung, die die Behandlungsmöglichkeiten erheblich erweitert haben.
Welche präventiven Maßnahmen empfehlen Sie zur Erhaltung der Herzgesundheit?
MARTIN MARTINEK: Wie bereits erwähnt, spielt der Lebensstil eine zentrale Rolle bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Faktoren wie Rauchen, Übergewicht, hohe Blutfettwerte und Blutzucker beeinflussen das Risiko stark. Vorsorgeuntersuchungen beim Arzt sind wichtig, aber auch deren Ergebnisse müssen ernst genommen werden. Hohe Cholesterinwerte, Diabetes oder Bluthochdruck lassen sich durch Medikamente und Lebensstiländerungen verbessern.
Besonders das Rauchen aufzugeben, ist eine persönliche Entscheidung, die einem niemand abnehmen kann. Übergewicht erfordert eine Ernährungsumstellung sowie Bewegung. Neue Medikamente, wie „Abnehmspritzen“, können unterstützend wirken, da schon eine Gewichtsabnahme von 10%den Blutdruck und Zuckerstoffwechsel stabilisieren kann.
Für stark übergewichtige Menschen ist Bewegung oft schwierig, deshalb hilft erst eine Gewichtsreduktion. Diese Behandlungen sind jedoch teuer und nicht alles kann von den Krankenkassen übernommen werden. Die Eigenverantwortung bleibt in der Vorsorge und Behandlung entscheidend.
Passend zum Thema Vorsorge: Smartwatches und andere tragbare Geräte werden immer beliebter zur Überwachung von Herzaktivitäten und Fitnessdaten. Wie verlässlich schätzen Sie diese Geräte ein, insbesondere in Bezug auf die Erkennung von Herzproblemen?
MARTIN MARTINEK: Wir können Herzfrequenz, Sauerstoffsättigung und Herzfrequenzvariabilität nutzen, um den Zustand des Herzens besser zu verstehen. Smartwatches erweisen sich bei der Suche nach Rythmusstörungen als nützlich, da einige Modelle sogar EKGs (Elektrokardiogramme) aufzeichnen können. Sie erkennen Herzfrequenzen und Unregelmäßigkeiten, insbesondere Vorhofflimmern. Für Patient*innen mit gelegentlichem Herzrasen empfehle ich oft Smartwatches oder sogenannte Handheld-EKG-Geräte, bei denen man die Daumen auf Elektroden legt, um ein EKG zu erstellen, das als PDF aufs Handy geschickt wird, um selten auftretende Rhythmusstörungen zu diagnostizieren.
Um ein Handheld-EKGs zu nutzen, benötigt man etwas Geschick und einfaches technisches Verständnis. Smartwatches sind benutzerfreundlicher. Bei schwer erfassbaren Rhythmusstörungen können implantierbare Geräte (Looprecorder) hilfreich sein, die eine kontinuierliche Überwachung über mehrere Jahre ermöglichen.
Welche Rolle spielt die Psyche bei der Entstehung oder dem Verlauf einer Herzschwäche?
MARTIN MARTINEIK: Das Broken-Heart-Syndrom zeigt, dass psychische Einflüsse die Pumpfunktion des Herzens akut verschlechtern können, oft mit Symptomen wie bei einem Herzinfarkt. Stress führt zur Ausschüttung von Stresshormonen, erhöht den Blutdruck und die Herzfrequenz und kann auf Dauer zu Herzschwäche und Rhythmusstörungen führen. Entspannungsübungen, Stressabbau und besserer Schlaf können Beschwerden lindern und auch Blutdruck sowie Rhythmusstörungen verbessern.
Spezialisierte Rehabilitationszentren für Psychokardiologie beschäftigen sich mit diesen Zusammenhängen. Bei Patient*innen mit Herzrhythmusstörungen zeigen sich oft Verbesserungen, wenn sie Stressfaktoren erkennen und vermeiden. In solchen Fällen ist es wichtig, nicht nur Medikamente oder invasive Eingriffe zu nutzen, sondern auch an der psychischen Belastung zu arbeiten. Lesen Sie dazu mehr in unserem Fachartikel „Wenn Stress Ihr Herz belastet“
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