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Osteoporose: Prävention, Diagnose und Therapie – was wirklich zählt

Prim. Dr. Matthias Kölbl, Facharzt für Innere Medizin und Intensivmedizin, über Wege zur Vorbeugung, frühzeitige Erkennung und individuell abgestimmte Behandlungsstrategien

Können Sie bitte erklären, was Osteoporose eigentlich ist und welche Mechanismen im Körper dafür verantwortlich sind?
MATTHIAS KÖLBL: Osteoporose ist eine Erkrankung, bei der der Knochen hauptsächlich einen vermehrten Abbau erleidet oder über die Dauer des Lebens nicht ausreichend aufgebaut wurde. Um das zu verstehen, muss man wissen, dass unser Körper im Laufe des Lebens mehrere Phasen, die von Knochenaufbau bzw. -abbau geprägt sind, durchläuft.

  • Bis zum mittleren Jugendalter baut der Körper hauptsächlich Knochen auf – vor allem während des Wachstums, bis etwa zum 20. bis 25. Lebensjahr.
  • Danach pendelt sich eine Art Gleichgewicht ein, bei dem sowohl der Knochenaufbau als auch der Abbau im Körper stattfinden.
  • Ab einem gewissen Punkt, insbesondere bei Frauen nach der Menopause, verändert sich dieses Gleichgewicht. Der Wegfall des hormonellen Östrogenschutzes führt dazu, dass der Knochenabbau überwiegt. Dies kann Osteoporose begünstigen.
  • Auch Männer können davon betroffen sein, jedoch aufgrund des unterschiedlichen Hormonprofils, seltener als Frauen und typischerweise zu einem späteren Zeitpunkt von etwa 10 Jahren.

Es ist wichtig zu wissen, dass jeder Mensch mit zunehmendem Alter eine gewisse Form von Osteoporose entwickeln kann. Doch besonders gefährdet sind Menschen, die aufgrund von Krankheiten, Medikamenten oder ungesunden Lebensgewohnheiten den Knochenaufbau frühzeitig beeinträchtigen und/oder schneller in eine Abbauphase geraten.

Welche Anzeichen oder Beschwerden könnten auf eine beginnende Osteoporose hinweisen und worauf sollten Betroffene besonders achten?
MATTHIAS KÖLBL: Das Schwierige an Osteoporose ist, dass sie oft ohne Symptome beginnt. Viele merken erst spät, dass etwas nicht stimmt. Wichtige Anzeichen, auf die man achten sollte, sind:

  • Ungewöhnliche Knochenbrüche: Brüche, die ohne starken äußere Einwirkungen oder atraumatisch auftreten – zum Beispiel beim Heruntersteigen vom Sessel oder einer einfachen Drehbewegung oder etwa beim Husten.
  • Wirbelsäulenbeschwerden: Chronische Rückenschmerzen, die möglicherweise durch Wirbelkörpereinbrüche verursacht werden. In solchen Fällen sollte man eine Röntgenuntersuchung der Wirbelsäule bzw. eine Knochendichtemessung in Erwägung ziehen, um die Knochenstruktur zu prüfen.


​​​​​​​Welche Körperregionen sind besonders von Osteoporose betroffen?
MATTHIAS KÖLBL: Osteoporose betrifft vor allem die folgenden Bereiche:

  • Wirbelsäule: Hier ist sie mit Abstand am häufigsten und betrifft etwa 70-80% der Fälle.
  • Hüfte: Besonders der Oberschenkelhals und der obere Teil des Oberschenkels bzw. der Hüftregion.
  • Oberarm: Insbesondere der Oberarmkopf.
  • Unterarm: Der distale (dem Handgelenk am nächsten) Teil des Unterarms, vor allem nach einem (einfachen) Sturz.
  • Beckenring: Schambeinäste und Hüftknochen sind zwar seltener aber ebenfalls betroffen.
     

​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​Was passiert, wenn junge Menschen bereits von Osteoporose betroffen sind?
MATTHIAS KÖLBL: Bei jungen Menschen, die noch nicht genügend Knochenmasse aufgebaut haben, kann der Mangel im schlimmsten Fall zu frühzeitigen Brüchen führen. Wichtige Faktoren, die bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu Osteoporose beitragen können, sind:

  • Rauchen: Ein wesentlicher Risikofaktor.
  • Mangelnde Bewegung: Fehlende körperliche Aktivität kann den Knochenaufbau stören.
  • Hormonelle Einflüsse: Die Einnahme von bestimmten Antibabypillen oder eine Zuckerkrankheit.
  • Medikamente: Bestimmte Medikamente, die das Knochenwachstum bremsen.
  • Essstörungen: Besonders bei jungen Frauen, die unter Anorexie oder Bulimie leiden, wird der Knochenaufbau massiv beeinträchtigt, was zu einer früheren Osteoporose führen kann.

Es ist entscheidend, in der Jugendphase ausreichend Knochenmasse aufzubauen, da dies die Grundlage für den Knochenstatus im späteren Leben bildet. Ein Mangel in dieser Entwicklungsphase kann langfristige und mitunter schwerwiegende Folgen haben.

Welche Untersuchungen oder Methoden gibt es, um Osteoporose nachzuweisen?
MATTHIAS KÖLBL: Im ersten Schritt kann Ihr*e Hausärzt*in über eine ausführliche Anamnese und eine klinische Untersuchung feststellen, ob ein Risiko für eine Osteoporoseerkrankung vorliegt oder bereits erste Symptome erkennbar sind. Anhand von spezialisierten Fragebogen und Rechenmodellen kann er*sie Ihr individuelles Risiko bewerten. In der Folge können noch weitere Untersuchungen, wie z.B. eine Knochendichtemessung, Röntgenaufnahmen der Wirbelsäule und spezielle Blutuntersuchungen zum Einsatz kommen.

Haben Sie bereits einen Blick dafür entwickelt, Menschen aus der Ferne als osteoporosegefährdet zu erkennen?
MATTHIAS KÖLBL: Ja, die Erfahrung hat den Blick geschult. Wenn ich durch die Stadt gehe oder in einem Café sitze, fallen mir z.B. ältere Damen mit einer gebückten, gekrümmten Haltung der Wirbelsäule auf. Diese Auffälligkeiten im Gang- oder Standbild sind – selbst wenn die Person z.B. einen Wintermantel trägt – häufig ein Hinweis auf eine fortgeschrittene Osteoporose

Bei klinischen Untersuchungen, wo die Patient*innen leichter bekleidet sind, werden diese Veränderungen noch deutlicher sichtbar. Das Ziel ist jedoch, Personen zu erkennen, die äußerlich noch keine Anzeichen zeigen, da Osteoporose oft schon Jahre vor sichtbaren Veränderungen besteht. Frühzeitige Diagnose und Therapie können das Fortschreiten der Erkrankung verhindern.

In Österreich und Deutschland betrifft Osteoporose ab 50 etwa 16 % der Menschen. Doch nur 30 % der Betroffenen werden korrekt behandelt. Bei Männern ist die Situation noch kritischer: Sie nehmen Osteoporose oft nicht ernst, weil sie als „Frauenkrankheit“ gilt, und suchen deshalb auch seltener den Arzt auf.

Das Problem: Osteoporose verursacht lange keine Beschwerden, was dazu führt, dass Untersuchungen oft aufgeschoben werden oder Symptome als normale Alterserscheinung abgetan werden. Hier helfen gezielte Aufklärung und Vorsorgeuntersuchungen, um die Erkrankung frühzeitig zu erkennen und effektiv zu behandeln.

Fazit: Entscheidend ist, pathologische Osteoporose rechtzeitig von normalen Alterserscheinungen zu unterscheiden, um gezielte Therapien einzuleiten.

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es bei diagnostizierter Osteoporose?
MATTHIAS KÖLBL: Die Behandlung umfasst ein breites, jedoch individualisiert maßzuschneiderndes Spektrum: von Tabletten, die täglich, wöchentlich oder monatlich eingenommen werden, bis hin zu Spritzen/Infusionen, die täglich, monatlich, vierteljährlich, alle sechs Monate oder jährlich verabreicht werden. Es gibt zwei Haupttherapieansätze:

  1. Antiresorptive Therapien: Diese bremsen den Knochenabbau
  2. Osteoanabole Therapien: Diese fördern aktiv den Knochenaufbau, sind jedoch nur als Spritzen erhältlich und können meist nur einmal im Leben angewendet werden.

Typischerweise beginnt die Behandlung mit antiresorptiven Präparaten. Bei schwereren Fällen, etwa bei vielen Brüchen, kann aber auch ein Aufbaupräparat schon in der ersten Phase sinnvoll sein. Anschließend wird der Therapieerfolg durch antiresorptive Mittel stabilisiert.

Die Herausforderung liegt in der langfristigen Planung, da bestimmte Medikamente nur begrenzt einsetzbar sind. Viele Betroffene erhalten jedoch gar keine adäquate Therapie, obwohl sie davon profitieren würden. Wie bereits erwähnt, werden nur 30 % der Patient*innen, hauptsächlich Frauen, korrekt behandelt – ein Zustand, der dringend verbessert werden muss.

Wie könnte man das Bewusstsein für das Risiko von Osteoporose stärken?
MATTHIAS KÖLBL: Ich denke, es braucht mehr Aufklärungskampagnen in Gesundheits- und Lifestyle-Magazinen sowie eine stärkere Präsenz in den Medien. Osteoporose wird oft fälschlicherweise als reine Alterserscheinung abgetan, obwohl es sich um eine ernsthafte, jedoch behandelbare Erkrankung handelt.

Langfristig könnte ein Unterrichtsfach wie „Gesundheitserziehung“ an Schulen helfen, das Bewusstsein schon früh zu schärfen. Dabei könnten Themen wie Prävention, Bewegung, ein gesunder Lebensstil und der adäquate Zugang zum Gesundheitssystem vermittelt werden. In anderen Ländern funktioniert dies gut und wäre ein sinnvolles Modell, das auch Osteoporose und ähnliche Erkrankungen abdecken würde.

Welche Maßnahmen und Lebensgewohnheiten helfen, Osteoporose vorzubeugen?
​​​​​​​MATTHIAS KÖLBL: Regelmäßige Bewegung ist entscheidend, idealerweise schon vom Kindesalter an. Wichtig ist eine gute Kombination aus Ausdauer und Krafttraining, um die Knochendichte ideal zu fördern. Ernährungsseitig sollte auf eine ausreichende Kalziumzufuhr (1.000–1.300 mg täglich) geachtet werden, die primär über Lebensmittel und manchmal ergänzend durch Calciumsupplemente gedeckt werden kann. Vitamin D ist vor allem in den Herbst- und Wintermonaten oft nur durch Ergänzung in ausreichender Menge verfügbar.

Zusätzlich sind ein gesunder Lebensstil, das Vermeiden von Rauchen und die Kontrolle von Unter- und Übergewicht essenziell. Ab einem gewissen Alter oder bei erhöhtem Risiko sind Vorsorgeuntersuchungen unerlässlich, um frühzeitig Maßnahmen oder Therapien einleiten zu können. Ziel ist es, Brüche bestmöglich zu verhindern, die oft schwerwiegende Folgen wie eingeschränkte Mobilität oder mitunter dauerhafte Pflegebedürftigkeit zur Folge haben können.

Foto: pixabay

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