„Wer wenig isst, kurbelt den Stoffwechsel an.“
„Mit dem Alter wird der Stoffwechsel automatisch langsam.“
„Morgens essen kurbelt den Stoffwechsel an, abends essen macht dick.“
„Wenn ich mich mehr bewege, beschleunigt das dauerhaft meinen Stoffwechsel. „Bestimmte Lebensmittel wie Grapefruit oder grüner Tee erhöhen den Stoffwechsel dauerhaft“
Welcher dieser Mythen begegnet Ihnen am häufigsten in Ihrer Praxis?
Matthias Kölbl: Man hört alle diese „Sprüche“ sehr regelmäßig und wie wir wissen, steckt in Mythen immer ein gewisser Wahrheitsanteil. Wir können dies im Laufe des Gesprächs sicherlich an der einen oder anderen Stelle noch überprüfen.
Was genau ist der Stoffwechsel und welche Prozesse laufen dabei im Körper ab?
Matthias Kölbl: Der Stoffwechsel ist ein Überbegriff für alle Prozesse im Körper, bei denen Energie gewonnen, umgewandelt und verwendet wird. Das umfasst die Nährstoffaufnahme, die Energieproduktion, die Regulierung des Energiehaushalts und viele andere physiologische Abläufe.
Man unterscheidet verschiedene Arten des Stoffwechsels, darunter:
- Energiestoffwechsel: Umwandlung von Nahrung in Energie.
- Fettstoffwechsel: Abbau und Speicherung von Fetten.
- Eiweißstoffwechsel: Verarbeitung von Proteinen für den Zellaufbau.
- Kohlenhydratstoffwechsel: Bereitstellung von Energie aus Zucker und Stärke.
- Mineralstoffwechsel: Regulation von Elektrolyten und Mineralien im Körper.
- Hormonstoffwechsel: Steuerung durch Hormone, z. B. Schilddrüsenhormone.
Stoffwechselvorgänge beeinflussen praktisch jedes Organsystem – vom Verdauungstrakt und Herz-Kreislauf-System bis hin zum Knochenstoffwechsel und zur Gehirnleistung. Im Alltag verbinden viele den Begriff „Stoffwechsel“ stark mit der Gewichtszunahme oder -abnahme. Tatsächlich ist der Stoffwechsel jedoch ein vielschichtiges System, das weit darüber hinausgeht.
Gibt es einen grundlegenden Unterschied vom Stoffwechsel her zwischen Männern und Frauen?
Matthias Kölbl: Ja, den gibt es durchaus, vor allem weil der Stoffwechsel stark von der Muskelmasse abhängt. Männer haben tendenziell einen höheren Muskelanteil als Frauen – das ist genetisch bedingt. Frauen erleben zudem hormonelle Veränderungen, wie etwa in der Schwangerschaft, die den Stoffwechsel stärker beeinflussen können als bei Männern.
Allerdings gibt es auch Frauen mit einem hohen Muskelmasseanteil, die stoffwechseltechnisch genauso gut aufgestellt sind wie Männer. Grundsätzlich ist es aber so, dass Männer von Natur aus mehr Muskel- und Knochenmasse haben. Dieser physiologische Vorteil bringt ihnen jedoch nur etwas, wenn sie die Muskulatur aktiv trainieren und aufrechterhalten. Männer neigen jedoch oft zu einem ungesünderen Lebensstil als Frauen – weniger Bewegung und eine ungesündere Ernährung kompensieren diesen Vorteil schnell.
Das zeigt: Den Stoffwechsel haben wir zu einem großen Teil selbst in der Hand. Es ist falsch, sich nur auf genetische Voraussetzungen auszureden oder sich als Opfer von Umweltfaktoren zu sehen. Wir können durch unseren Lebensstil viel beeinflussen und sind nicht einfach ausgeliefert.
Wir übernehmen also nicht nur genetische Veranlagungen, sondern auch Familienmuster und Traditionen.
Matthias Kölbl: Genau, das spielt eine große Rolle. Über Generationen hinweg werden Verhaltensweisen weitergegeben. Die Vorgenerationen, die oft in einer Zeit der Sparsamkeit gelebt haben, wollten, dass es den Nachkommen besser geht. Dadurch hat sich vieles verändert – auch im Hinblick auf Ernährung. Einige alte Muster waren dabei durchaus günstig für den Stoffwechsel und das Gewicht, aber Bequemlichkeit hat über die Zeit vieles ersetzt. Dadurch entstanden neue Gewohnheiten mit unerwünschten Nebenwirkungen.
Auf der psychischen Ebene spielt Essen oft eine Rolle als Ersatz oder Verstärkung für Liebe, Zuwendung und Anerkennung. Nicht umsonst heißt es: „Liebe geht durch den Magen“.
Welche medizinischen Warnsignale könnten denn auf Stoffwechselstörungen hinweisen und wann sollte man eine*n Ärzt*in aufsuchen?
Matthias Kölbl: Es gibt einige Warnzeichen, die auf Stoffwechselstörungen hinweisen können und die man ernst nehmen sollte. Dazu gehören:
- Rasche Gewichtsveränderungen: Wenn jemand innerhalb kurzer Zeit – etwa ein bis drei Monate – ungewollt mehr als 5 % seines Körpergewichts verliert oder zunimmt, ohne seine Lebensweise bewusst geändert zu haben. Solche Veränderungen sollten immer abgeklärt werden. Es muss nicht zwingend eine körperliche Ursache dahinterstecken – auch psychische Erkrankungen können eine Rolle spielen. Allerdings ist es wichtig, ernste Ursachen wie Tumorerkrankungen frühzeitig zu erkennen, da sie sich im Frühstadium meist besser behandeln lassen.
- Herz-Kreislauf-Veränderungen: Ein plötzlich anhaltender erhöhter Puls – etwa von zuvor 70-80 Schlägen pro Minute auf 110-120 Schläge – oder unregelmäßige Herzrhythmen sind ebenfalls mögliche Warnsignale. Viele Menschen bemerken das über Pulsuhren oder Fitnesstracker.
- Veränderungen der Stuhlfrequenz und -konsistenz: Wenn jemand plötzlich häufiger unter Durchfall leidet oder der Stuhlgang seltener wird, ohne dass dies durch eine Ernährungsumstellung erklärbar ist, sollte das abgeklärt werden.
- Übermäßiges Schwitzen und Temperatur-Sensibilität: Wer auf einmal vermehrt schwitzt oder temperatur-sensibler wird – etwa Hitze schlechter verträgt oder ständig fröstelt –, könnte Probleme mit der Schilddrüse haben. Bei einer Überfunktion treten oft Symptome wie Gewichtsverlust, beschleunigter Puls, Durchfall und Unruhe auf. Bei einer Unterfunktion hingegen kommt es häufig zu Gewichtszunahme, Wassereinlagerungen (z.B. in Beinen, Bauch oder Gesicht) und Verstopfung.
- Wassereinlagerungen: Wenn sich vermehrt Wasser im Körper einlagert, etwa in Beinen oder Gesicht, ist das ebenfalls ein Zeichen, das man nicht ignorieren sollte.
Im Allgemeinen gilt: Bei unklaren und plötzlich auftretenden körperlichen Veränderungen – vor allem, wenn sie eines oder mehrere der genannten Symptome betreffen – sollte unbedingt ein Arzt oder eine Ärztin konsultiert werden. Je früher eine mögliche Störung erkannt wird, desto besser sind in der Regel die Behandlungsmöglichkeiten.
Welche Empfehlungen haben Sie speziell für die Feiertage und die Winterzeit? Wie können wir in dieser Jahreszeit gesund bleiben und unseren Stoffwechsel optimal unterstützen?
Matthias Kölbl: Die Winter- und Weihnachtszeit ist sicherlich eine der geselligsten Zeiten im Jahr. Wir sitzen viel beisammen, das Angebot an kalorienreichen Speisen und Getränken ist groß – sei es in Form von Keksen, Festessen oder alkoholischen Getränken wie Punsch. Hier gilt es, ein gesundes Maß zu bewahren. Es geht nicht darum, sich alles zu verbieten, sondern bewusst zu genießen und nicht ständig zuzugreifen.
Ein weiterer Punkt ist die Bewegung. Auch wenn das Wetter in der kalten Jahreszeit oft unangenehm ist – kalt, nass, neblig – sollte man trotzdem aktiv bleiben. Spaziergänge, Winterwanderungen oder sportliche Aktivitäten an der frischen Luft tun dem Stoffwechsel gut und helfen, überschüssige Kalorien zu verbrennen. Gerade die verschneite Winterlandschaft bietet eine schöne Gelegenheit, draußen aktiv zu sein. Es gibt ja bekanntlich kein schlechtes Wetter, nur falsche Kleidung. Mit moderner Funktionskleidung lässt sich die Kälte problemlos bewältigen.
Zusammengefasst: Wer im Winter auf ein gutes Gleichgewicht zwischen Kalorienzufuhr und Bewegung achtet, kann die Feiertage ohne schlechtes Gewissen genießen und den Stoffwechsel optimal unterstützen. Wichtig ist, nicht der Bequemlichkeit nachzugeben und aktiv zu bleiben – so kommt man gesund und fit durch die Winterzeit.
Wie ist denn das mit dem Alkohol? Was macht denn der mit dem Stoffwechsel?
Matthias Kölbl: Alkohol ist ein echter Kalorientreiber und wird vom Körper ähnlich wie Fett behandelt. Vom Kalorienwert her liegt Alkohol fast gleichauf mit reinem Fett. Kurzfristig kann Alkohol den Stoffwechsel zwar leicht ankurbeln, weil er die Blutgefäße erweitert und die Verdauung anregt – man kennt das ja vom „Verdauungsschnaps“ nach einem schweren Essen. Aber dieser Effekt ist minimal und kurzfristig.
Langfristig passiert Folgendes:
- Kalorienspeicherung: Alles, was der Körper nicht verbrennt, wird als Fett eingelagert, vor allem im Bauchbereich. Dieses viszerale Fett ist besonders ungesund und erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
- Mehr Belastung für den Stoffwechsel: Der Körper muss hart arbeiten, um Alkohol abzubauen und die zusätzlichen Kalorien zu verarbeiten.
Es ist also wie so oft die Dosis, die das Gift macht. Ein kleiner Schluck kann die Verdauung anregen, aber größere Mengen führen schnell zu negativen Effekten. Wer in Maßen genießt, tut sich leichter, gesund durch die Feiertage zu kommen.
Ich schließe den Bogen zu einzelnen eingangs erwähnten Mythen rund um den Stoffwechsel: Beschleunigt sich der Stoffwechsel dauerhaft, wenn ich mich viel bewege, oder nur während der Bewegung?
Matthias Kölbl: Bewegung kurbelt den Stoffwechsel nicht nur währenddessen an, sondern auch darüber hinaus – vor allem, wenn Kraft- und Ausdauertraining kombiniert werden. Denn durch mehr Muskelmasse erhöht sich der Grundumsatz: Muskeln verbrauchen auch in Ruhe Energie. Das bedeutet, je mehr Muskelmasse man hat, desto mehr verbrennt der Körper auch im Ruhezustand.
Und was bestimmte Lebensmittel betrifft, die angeblich den Stoffwechsel beschleunigen – wie Grapefruit oder grüner Tee?
Matthias Kölbl: Da ist etwas dran, allerdings nur im kleinen Rahmen. Bestimmte Lebensmittel können Stoffwechselprozesse in der Leber beeinflussen, etwa den Abbau von Medikamenten. Grapefruit ist ein Klassiker dafür: Sie kann beispielsweise den Abbau bestimmter Medikamente beschleunigen oder hemmen und so deren Wirkung verändern. Deshalb sollte man solche Zusammenhänge nicht unterschätzen und sich bei Unsicherheiten beraten lassen.
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