Wie sind Sie persönlich zum Tanzen gekommen, und was fasziniert Sie bis heute daran?
ISABELLA ROTH: Tanzen begleitet mich seit meiner Kindheit – von Ballett über Gesellschaftstanz bis hin zu internationalen Turniertänzen. Später entdeckte ich orientalischen Tanz, Kreistänze und Tango Argentino. Seit 2016 leite ich „Tanzen ab der Lebensmitte“-Gruppen in Linz und Leonding.
Die Faszination liegt für mich in der Verbindung mit der Musik – wenn Körper und Geist im Einklang sind. Tanzen ermöglicht Ausdruck, Loslassen und pure Freude. Es erfrischt, erweitert den Horizont und bereichert mein Leben.
Welche Vorteile hat das Tanzen für Menschen in der Lebensmitte aus medizinischer und körperlicher Sicht?
ISABELLA ROTH: Tanzen bietet zahlreiche Vorteile für Körper, Geist und Seele:
- Körperlich: Es stärkt die Muskulatur, fördert eine aufrechte Haltung und regt das Herz-Kreislauf-System sowie den Stoffwechsel an. Zudem verbessert es Balance, Flexibilität und Koordination.
- Geistig: Die Kombination aus Bewegung, Rhythmus und Interaktion fordert das Gehirn intensiv und gilt als wirksame Demenzprophylaxe. Konzentration und Multitasking werden spielerisch trainiert.
- Seelisch: Tanzen setzt Glückshormone frei, reduziert Stress und stärkt das Gemeinschaftsgefühl. Gruppentänze fördern soziale Kontakte und können helfen, Einsamkeit zu überwinden.
Insgesamt ist Tanzen eine wundervolle Möglichkeit das Wohlbefinden in jedem Alter zu fördern.
Welche Altersgruppe findet sich in Ihren Kursen ein?
ISABELLA ROTH: Die Tanzgruppe richtet sich an Menschen ab 50 Jahren – nach oben gibt es keine Grenze. Viele nutzen den Ruhestand, um etwas Neues auszuprobieren, besonders häufig starten sie zwischen 60 und 75 Jahren. Doch auch ältere Teilnehmer*innen sind herzlich willkommen.
Diese Tanzform ist generationsübergreifend: Sie eignet sich ebenso für Jüngere, inklusive Kinder und Jugendliche. Tanzen verbindet und bringt in jedem Alter Freude an Bewegung und Gemeinschaft.
Welche Tanzform wird in Ihren Gruppen angeboten?
ISABELLA ROTH: In meinen Gruppen tanzen wir eine bunte Mischung an Gruppentänzen, die besonders für Menschen ab der Lebensmitte geeignet sind. Dazu gehören Kreistänze – oft Hand in Hand – aus verschiedenen Kulturen, wie griechische oder israelische Tänze. Auch Paartänze gibt es, jedoch ohne klassische Gesellschaftstanzhaltung, stattdessen nebeneinander oder mit Handfassung, unabhängig von traditionellen Rollen.
Zusätzlich tanzen wir in kleineren Gruppen zu dritt oder viert, machen Line Dance („Blockdance“) und sogar Tänze im Sitzen, die Koordination und Beweglichkeit fördern. Jede Stunde bietet eine abwechslungsreiche Mischung aus verschiedenen Tanzstilen und Rhythmen – vom Walzer über lateinamerikanische Klänge bis hin zu Volkstänzen und historischen Tänzen wie Kontratänzen. So ist für jede*n etwas dabei!
Kann Tanzen als Prophylaxe dienen? Und nehmen auch Menschen mit Demenz an Ihren Kursen teil?
ISABELLA ROTH: Ja, Tanzen ist eine ausgezeichnete Prophylaxe – besonders gegen Demenz und Stürze im Alter. Es fördert Gedächtnis, Koordination und soziale Aktivität. Menschen mit beginnender Demenz profitieren besonders, da Tanzen den geistigen Abbau verlangsamen kann. Leider fühlen sich viele Betroffene im frühen Stadium „noch nicht so weit“ für einen Kurs. Bei fortgeschrittener Demenz wird es in der Gruppe schwieriger, aber Tänze im Sitzen sind eine gute Alternative.
Der Demenzexperte Prim. Dr. Elmar Kainz nennt sieben Faktoren zur Reduktion des Demenzrisikos:
- Soziale Aktivität
- Körperliche Aktivität
- Geistige Aktivität
- Entspannung
- Schlaf
- Mediterrane Ernährung
- Vorbeugung und Behandlung von Risikoerkrankungen
Er betont, dass Tanzen mehrere dieser Faktoren gleichzeitig erfüllt: Man bewegt sich, ist unter Menschen, fordert das Gedächtnis, entspannt sich und schläft oft besser. Auch für Parkinson- und Alzheimer-Patient*innen gibt es vielversprechende Studien, besonders zum Tango Argentino, der durch Improvisation das Gehirn zusätzlich fordert.
Neben dem geistigen Aspekt ist Tanzen auch eine effektive Sturzprophylaxe. Die verschiedenen Schritte – vorwärts, rückwärts, seitwärts, überkreuz – verbessern Balance und Reaktionsfähigkeit. Dabei steht immer der Spaß im Vordergrund – und ganz nebenbei profitieren Körper und Geist!
Wie finden Anfänger*innen oder Unsichere den Einstieg ins Tanzen?
ISABELLA ROTH: Der wichtigste Schritt ist, sich einfach zu trauen! Viele glauben, sie bräuchten Vorkenntnisse oder besonderes Rhythmusgefühl – dabei kann jede*r jederzeit einsteigen, ohne Partner*in oder Vorerfahrung.
Oft hilft es, direkt mitzumachen statt nur zuzusehen. Als Tanzleiterin wähle ich Tänze, die auch für Neulinge geeignet sind. Die Gruppe unterstützt neue Teilnehmer*innen oft ganz selbstverständlich.
Alle Schritte werden verständlich erklärt und kurz geübt, ohne Druck oder Perfektionsanspruch. Das Wichtigste ist: Einfach kommen – der Rest ergibt sich von selbst!
Gibt es einen besonderen Moment, der Ihnen als Tanzleiterin in Erinnerung geblieben ist?
ISABELLA ROTH: Ein Herr aus unserer Tanzgruppe hatte leider einen Sturz, der zu einem Oberschenkelhalsbruch führte. Dies setzte ihn einer längeren Heilungsphase aus und machte ihm zu Beginn durchaus zu schaffen. Doch irgendwann erinnerte er sich an etwas, das ihm wichtig war, und sagte zu seiner Frau: „Ich muss jetzt ganz schnell gesund werden, damit ich bald wieder tanzen gehen kann.“ Motiviert durch diesen starken Wunsch, wieder Teil der Gruppe zu sein, setzte die Genesung zügig ein. Schon bald konnte er in seinem eigenen Tempo und unter Berücksichtigung seiner Sturzgeschichte wieder am Tanz teilnehmen.
Dieser Moment zeigte auf wunderbare Weise, wie eng Tanz, Musik und Freude miteinander verbunden sind. Auch wenn Menschen mit gesundheitlichen Herausforderungen konfrontiert sind, können sie durch das Tanzen aufblühen und ihre Selbstheilungskräfte aktivieren. Solche Erlebnisse – sei es ein Lächeln, ein paar liebe Worte oder das Glück, das die Teilnehmenden mitnehmen – machen das Tanzen zu etwas ganz Besonderem.
Fazit:
- Kein Leistungsdruck: Es geht nicht darum, perfekt zu tanzen, sondern gemeinsam Freude zu haben. Fehler sind erlaubt und der Spaß steht im Vordergrund.
- Gleichheit auf der Tanzfläche: Unabhängig von Beruf oder Status – auf der Tanzfläche sind alle gleich, und die sozialen Unterschiede treten in den Hintergrund.
- Multitasking für Körper und Geist: Tanzen vereint viele Aktivitäten: Musik hören, Schritte koordinieren, Anweisungen folgen und auf die Mittanzenden achten.
- Aktivierung des Gehirns: Beim Tanzen entstehen neue Verbindungen im Gehirn, die Hirnzellen werden angeregt, und es unterstützt das Gedächtnis.
- Soziales Miteinander: Tanzen stärkt das Gemeinschaftsgefühl, fördert Rücksichtnahme und sorgt für ein freundliches und respektvolles Zusammensein.
- Gute-Laune-Mittel: Tanzen ist ein echter Stimmungsaufheller – es bringt Freude, neue Energie und tut der Seele gut.
- Lächeln inklusive: Ein Lächeln stellt sich oft von selbst ein, auch wenn es am Anfang vor lauter Konzentration vergessen wird.
Tanzen ist Bewegung, Freude und Gemeinschaft in einem – perfekt, um Körper, Geist und Seele etwas Gutes zu tun!
Tanzen ist eine ganz besondere Medizin und das ganz ohne Nebenwirkungen. Tanzen kann süchtig machen und ist auch sehr ansteckend.
Drin. Burgi Schneider, Allgemeinmedizinerin, Psychotherapeutin und Tanzleiterin
Isabella Roth leitet den Kurs "Tanz ab der Lebensmitte" in unserem Partnerbetrieb, dem Trainings- und Fitnessstudio health Kurse | Health
Hinweise auf die Tanzangebote im Gesundheitsnetzwerk der Elisabethinen:
„Tanzen ab der Lebensmitte“ mit Dr.in Isabella Roth im Health Kurse | Health (i.d.R. jeden 2. und 4. Donnerstag nach Voranmeldung)
„Tango Argentino Lesson“ mit Mag. Karl und Eva Gegenhuber Eva Maria und Mag. Karl Gegenhuber | Gesundheitsnetzwerk (i.d.R. an 2-3 Sonntagabenden pro Monat, Linz-Zentrum)